Die locker bebauten Ränder großer Städte in Europa bieten Potenziale. Hier ließe sich Wohnraum schaffen, was in den dicht bebauten Innenstädten häufig kaum noch möglich ist. Für Klimaschutz und Klimaanpassung wäre dies entscheidend, denn die Nachverdichtung in Vorstädten würde zusätzlichen Flächenverbrauch vermeiden. Wertvolle Böden, Lebensraum für Pflanzen und Tiere, Forst- und Ackerflächen blieben erhalten. Gute Argumente für das dichtere Bauen in Vorstädten. Doch in der Realität scheitert dieses Vorhaben häufig an Interessenkonflikten und Widerständen vor Ort.
Das internationale Projekt SUBDENSE nimmt diese Herausforderung eines nachhaltigen Städtebaus in den Blick. Das Projektteam untersucht, wie sich verschiedene Strategien der Bodenpolitik und die Interessen sowie das Agieren unterschiedlicher lokaler Akteure gegenseitig beeinflussen. Beim Vorhaben, Vorstädte dichter zu bebauen, kollidieren politische Bestrebungen häufig mit den Interessen, den „Rationalitäten“ lokaler Akteure. Die Forschenden sprechen im Projekt von „Polyrationalitäten“. Dahinter verbirgt sich die Annahme, dass nicht alle Akteure nach der gleichen Logik, zum Beispiel nach klassischen ökonomischen Verhaltensmodellen handeln. Die Bodenpolitik muss sich dementsprechend ebenfalls polyrational aufstellen, um angemessen reagieren zu können.
Im Projekt SUBDENSE betrachten die Forschenden diese pluralen Interessen der beteiligten Akteure. Am Beispiel von sechs Stadtregionen in Deutschland, Großbritannien und Frankreich untersuchen sie zunächst, wie sich unterschiedliche europäische Vorstädte in den vergangenen zehn Jahren entwickelt haben. Sie wollen Muster und Logiken erkennen, die der Raumnutzung am Stadtrand zugrunde liegen. Dafür kombiniert das Projektteam Geodaten- und Raumanalyse mit politikwissenschaftlichen und sozialanthropologischen Ansätzen der Kulturtheorie und der Raumplanung.
Die Forschenden wollen im internationalen Vergleich auch nach positiven Beispielen suchen. Um die Erhebungen fassbar und vergleichbar zu machen, gilt es, Daten zu harmonisieren und Indikatoren für die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Raumnutzung zu entwickeln. „Am Ende geht es um die Frage, ob es neue Raumnutzungsmodelle gibt, die es möglich machen, den Stadtraum zu verdichten und Wohnraum zu schaffen, ohne dass bei der Qualität des Wohnens Abstriche gemacht werden müssen“, erläutert Mathias Jehling vom IÖR. „Wir sind optimistisch, dass wir solche Beispiele in den Untersuchungsgebieten finden werden.“ Die gewonnenen Daten und Ergebnisse aus dem Projekt könnten am Ende in informelle Instrumente einfließen, die eine neue Art der Planung für das Bauen am Stadtrand unterstützen.
Das Projekt SUBDENSE (Understanding polyrationalities of space, actors, and policies on suburban densification) wird von der ORA7-Kooperation internationaler Forschungsgemeinschaften finanziert. Neben der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sind das die französische Agence Nationale de la Recherche (ANR) sowie der britische Economic and Social Research Council (ESRC). Das Fördervolumen beträgt 1,2 Millionen Euro, davon erhält das IÖR 320.000 Euro von der DFG.
Das internationale Projektteam setzt sich aus Wissenschaftler*innen von vier Forschungseinrichtungen in Deutschland, Frankreich und Großbritannien zusammen: Mathias Jehling vom IÖR, Thomas Hartmann von der TU Dortmund, Sebastian Dembski von der University of Liverpool sowie Bénédicte Bucher vom Institut national de l’information géographique et forestière (IGN) in Paris.
Wissenschaftlicher Kontakt im IÖR
Dr. Mathias Jehling, E-Mail: M.Jehlingioer@ioer.de