Das Netzwerk „Reallabore der Nachhaltigkeit“ begrüßt die Erarbeitung eines bundesweiten Reallabore-Gesetzes wie vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) angeregt und fordert wesentliche Ergänzungen etwa bei der Ausrichtung auf Nachhaltigkeit, harmonisierte Mindeststandards und Partizipation der Zivilgesellschaft. Das Netzwerk als Zusammenschluss von mehr als 50 Organisationen der deutschsprachigen Reallabor-Community mahnt in einer aktuellen Stellungnahme insbesondere an, dass Ergebnisoffenheit und der gesellschaftliche Diskurs bei der Erprobung von technischen und sozialen Innovationen in Reallaboren nicht vernachlässigt werden dürfen.
„Ob Energiewende, Landnutzungswende oder die verschiedenen sozialen und ökologischen Krisen – wir sind als Gesellschaft herausgefordert, radikale Veränderungen vorzunehmen, die jedoch Unsicherheit und Ängste hervorrufen und im Moment unsere Gesellschaft spalten“, sagt Dr. Markus Egermann, Forschungsbereichsleiter am IÖR, der mit seinem Team bereits verschiedene Reallabore umgesetzt hat. „Umso wichtiger ist es, diese Veränderungen immer für, mit und durch die Bürgerinnen und Bürger in Kooperation mit Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft zu erproben und gemeinsam zu lernen, wie ein nachhaltiges Leben in Zukunft aussehen kann.“
Konsequente Ausrichtung an Nachhaltigkeit
Das Netzwerk betont zudem, dass wirksame Reallabore grundlegende Charakteristika erfüllen müssen, um ihr volles Potenzial entfalten zu können. Die im Grünbuch Reallabore des BMWK genannten übergreifenden Standards sollten deshalb um Kriterien ergänzt werden wie zum Beispiel Forschungsorientierung: Reallabore dienen auch dazu, neues Wissen zu erzeugen; Akteursvielfalt und Partizipation: vielfältige Akteure aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und vor allem der Zivilgesellschaft werden angemessen einbezogen; Laborcharakter: Reallabore sind Räume für gesellschaftliche Experimente, die ergebnisoffen und reversibel durchgeführt werden; Bildung: Reallabore dienen als transdisziplinäre Lern- und Bildungsräume.
Das Netzwerk hebt insbesondere die konsequente Orientierung von Reallaboren an Nachhaltigkeitszielen für die gesetzliche Ausgestaltung der Experimentierräume hervor. So sollte im Reallabore-Gesetz verbindlich verankert werden, dass Reallabore Nachhaltigkeit als erste Prämisse für das Erproben von Innovationen setzen.
„Reallabore sollten sich am Konzept der starken Nachhaltigkeit orientieren und wirtschaftliche und soziale Innovationen im Rahmen planetarer Grenzen ermöglichen“, fordert Dr. Oliver Parodi, Sprecher des Netzwerks „Reallabore der Nachhaltigkeit“. „Alles andere wäre nicht nur unzeitgemäß, sondern auch politisch unverantwortlich. Nicht zuletzt auch, weil der Koalitionsvertrag der Bundesregierung das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen einfordert.“
Partizipation für eine starke Beteiligung von Zivilgesellschaft
Weltweit sind Reallabore und ähnliche ‚Labs‘ in den letzten Jahren zu einer wichtigen Einrichtung in der transdisziplinären und transformativen Forschung und Praxis geworden. In ihnen können innovative Ideen und neue gesellschaftliche Praktiken konkret und praxisnah entwickelt, erprobt und erforscht werden. Damit werden Reallabore zu Inkubatoren des Wandels und können zu einer nachhaltigen Entwicklung unserer Gesellschaft beitragen.
Wichtigster Pluspunkt von transdisziplinär angelegten Reallaboren ist dabei die Interaktion von sektor-, branchen-, disziplinen- und technologieübergreifend arbeitenden Akteuren und Akteurinnen. Das Reallabore-Gesetz und der geplante One-Stop-Shop Reallabore – also eine zentrale Anlaufstelle für die Beratung der Praxis, Wissenssammlung und Wissenstransfer in die Gesetzgebung – sollten dabei die Rolle der Zivilgesellschaft weiter stärken. Dazu gehört neben einer adäquaten Ansprache auch die verstärkte finanzielle Förderung ihrer Arbeiten im Reallabor.