Entsiegelungspotenziale

Bessere Nutzung von Entsiegelungspotenzialen zur Wiederherstellung von Bodenfunktionen und zur Klimaanpassung

Problemstellung

Der Erhalt natürlichen Bodens mitsamt all seinen Funktionen ist für eine nachhaltige Entwicklung unabdingbar. Böden sind zentral für das Überleben der Menschheit und den Erhalt der Biodiversität. Sie tragen zur Versickerung von Regenwasser bei und unterstützen dessen Verdunstung, welche sowohl für die Kühlung des (urbanen) Klimas als auch die Steigerung der Luftfeuchtigkeit von Bedeutung ist. Die zunehmende Versiegelung von Flächen im Zuge der Urbanisierung und Industrialisierung führt zu einer nachteiligen Veränderung der Beschaffenheit der Böden. Durch Entsiegelung kann diesen negativen Effekten entgegengewirkt werden. Es ist daher notwendig, Maßnahmen zur Entsiegelung zu treffen, die darauf abzielen, eine Wiederherstellung von Bodenfunktionen und Anpassung an den Klimawandel zu bewirken.

In Deutschland gibt es bereits einige bodenschutzrechtliche Vorschriften, die eine Entsiegelung von Boden gebieten. So ist in § 5 des Bundesbodenschutzgesetzes (BBodSchG) explizit ein Entsiegelungsgebot verankert. Auch § 179 BauGB enthält ein „Rückbau- und Entsiegelungsgebot“. In anderen Gesetzen wie dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) sind ebenfalls Vorschriften mit Bezug zur Entsiegelung enthalten. Hinzu kommen Instrumente, die finanzielle Anreize zur Förderung von Entsiegelungsmaßnahmen setzen. Allerdings kommen diese Vorschriften und Instrumente in der Praxis nur eingeschränkt zum Tragen. Die Gründe hierfür waren an Hand einer Analyse der rechtlichen Vorgaben und mittels Experteninterviews zum praktischen Vollzug zu untersuchen und dienen als Grundlage für Vorschläge zur Weiterentwicklung des gesetzlichen und förderrechtlichen Instrumentariums.

Ziele

Das übergeordnete Ziel des Vorhabens ist die Identifizierung bestehender Entsiegelungspotenziale sowie die Analyse der bestehenden Rechtsvorschriften und weiterer Instrumenten zur Förderung von Entsiegelungsmaßnahmen, um auf dieser Grundlage Verbesserungsvorschläge für eine Optimierung des rechtlichen Rahmens auszuarbeiten und zu unterbreiten.

Methodik

Die Auswertung der bestehenden Rechtsgrundlagen erfolgte unter Anwendung der üblichen rechtswissenschaftlichen Methoden zur Analyse des geltenden Rechts unter Berücksichtigung einschlägiger Literatur (Kommentare, Aufsätze, Monografien) und Rechtsprechung. Konkret wurde dabei jeweils geprüft, inwieweit Entsiegelungsmaßnahmen durch diese Vorschriften jeweils gefordert, unterstützt oder erschwert werden. Zudem wurden Fragebogen-gestützte Interviews mit Behörden- und weiteren Praxisvertretern zu Erfahrungen mit der praktischen Anwendung der Vorschriften geführt.

Ergebnisse

Die Analyse der rechtlichen Vorgaben zur Entsiegelung hat gezeigt, dass die Thematik verschiedene Regelungsbereiche und Instrumente des Umwelt- und Planungsrechts betrifft.

Obwohl mit § 179 BauGB und § 5 BBodSchG gleich zwei explizite Entsiegelungs-Tatbestände existieren, finden diese in der Praxis kaum oder gar keine Anwendung. Dies hängt damit zusammen, dass Entsiegelungsmaßnahmen mit hohen Kosten verbunden sind und in das Eigentumsgrundrecht eingreifen. Hinzu kommen zahlreiche unscharfe Anwendungsvoraussetzungen und Abgrenzungsschwierigkeiten, so dass die Regelungen in der Praxis keine Wirksamkeit entfalten. Die vorgelegten Änderungsvorschläge könnten insoweit Abhilfe schaffen. Diese zielen zunächst auf eine klare Abgrenzung und Zuständigkeitsverteilung zwischen § 179 BauGB und § 5 BBodSchG ab. Zudem sollten die Anwendungsvoraussetzungen in beiden Vorschriften vereinfacht werden. Nicht zuletzt könnte die öffentliche Hand durch eine festgeschriebene Vorbildfunktion in die Pflicht genommen werden, ebenfalls zur Entsiegelung beizutragen.

Auch erscheint es wichtig, dass potenzielle Entsiegelungsmaßnahmen im Siedlungsbereich durch die Bauleitplanung vorbereitet werden. Innerstädtische Brachflächen sollten in den Bebauungsplänen nicht allein für die bauliche Entwicklung, sondern im Hinblick auf die erforderliche Klimaanpassung und den Bodenschutz teilweise auch zur Entsiegelung und Schaffung von Freiräumen und wohnortnahem Grün vorgesehen werden. Um die hierfür notwendigen Freiräume zu erhalten und zu schaffen, sollte die doppelte Innentwicklung, welche neben der baulichen Entwicklung auch die grüne Infrastruktur im Blick hat, zukünftig gesetzlich als Leitbild der Bauleitplanung in § 1 BauGB verankert werden. Auch erscheint es erforderlich, Entsiegelungspotenziale auf kommunaler Ebene systematisch zu erheben und zu erfassen, um die potenziell zu entsiegelnde Flächen zu identifizieren.

Das wirksamste Instrument zur Umsetzung von Entsiegelungsmaßnahmen ist die Eingriffsregelung, auch wenn deren Anwendung im Hinblick auf das Ziel „Entsiegelung für Neuversiegelung“ noch nicht die gewünschten Erfolge bringt. Um diesem Problem zu begegnen sollten die naturschutzfachlichen Bewertungskonzepte künftig verstärkt die Bodenaspekte berücksichtigen. Den mit der Durchführung von Entsiegelungsmaßnahmen verbundenen hohen Kosten lässt sich durch die Anwendung von Bonusregelungen Rechnung tragen, wie sie bereits in einigen Bundesländern und in der Bundeskompensationsverordnung (BKompV) festgelegt sind. Ein großes Manko der Eingriffsregelung stellen deren Einschränkungen im Bereich der Bauleitplanung dar (§§ 13a und 13b BauGB). Hier sollte eine gesetzliche Änderung erfolgen, um der Eingriffsregelung in diesem Bereich zur Geltung zur verhelfen.

Eine wichtige Unterstützung des Ziels zur Entsiegelung leistet das Wasserrecht, sei es im Hinblick auf die qualitativen oder quantitativen Vorgaben der Gewässerbewirtschaftung. Insbesondere die ambitionierten ökologischen Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), welche sich am natürlichen Gewässerzustand orientieren, befördern die Umsetzung von Entsiegelungsmaßnahmen. Eine auch im Hinblick auf die Herausforderungen des Klimawandels immer wichtigere Rolle spielt der Gedanke einer integrierten Gewässerbewirtschaftung, welche die Aspekte der Gewässerqualität, Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung und des Hochwasserrisikomanagements zusammendenkt. Entsiegelungsmaßnahmen tragen dazu bei, das Wasser in der Fläche zu halten und können sämtliche der genannten Dimensionen unterstützen.

Die wasserrechtlichen Rahmenbedingungen sind allerdings noch ausbaufähig. Insbesondere die Niederschlagswasserbewirtschaftung ist ein für die Klimaanpassung entscheidendes, aber bisher nur unzureichend normiertes Handlungsfeld. So ist das Versickerungs- und Verrieselungsgebot des § 55 Abs. 2 WHG nicht unmittelbar vollziehbar, sondern bedarf der weiteren Untersetzung, etwa durch Anordnungsermächtigungen zur Niederschlags-Eigenbewirtschaftung nach dem Vorbild einiger landesrechtlicher Regelungen sowie eine klare gesetzliche Aufgabenzuweisung und Finanzierungsregelung. Konzeptionell erforderlich erscheint zudem eine auf die dezentrale Niederschlagswasserbewirtschaftung ausgerichtete Entwässerungsplanung, welche mit den städtebaulichen Nutzungen abzustimmen ist. Hierzu wird empfohlen, die teilweise bereits landesrechtlich vorgesehenen Abwasserbeseitigungskonzepte weiterzuentwickeln.

 

Das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung e. V. wird gemeinsam durch Bund und Länder gefördert.

FS Sachsen

Diese Maßnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.