Vorzüge von Klein- und Mittelstädten messbar machen
"Bis heute spielt das kulturelle Erbe in Studien zu städtischer Lebensqualität kaum eine Rolle. Ganz anders als etwa ökonomische oder ökologische Aspekte, bei denen Großstädte oft punkten können", erläutert Studienleiter Robert Knippschild. Kleinere Städte schnitten damit in Rankings zwangsläufig schlechter ab. "Diese schlechteren Ergebnisse können eine regelrechte Negativ-Spirale in Gang setzen, denn die Außenwahrnehmung beeinflusst auch die Innenwahrnehmung der Städte. Vor allem in peripher gelegenen Städten können dadurch ohnehin problematische Entwicklungsdynamiken noch verstärkt werden", erläutert Knippschild. Diese Dynamiken möchte das Forschungsteam mit den gewonnenen Erkenntnissen durchbrechen.
Anhand von Literaturrecherchen, Experteninterviews und Fokusgruppengesprächen in verschiedenen Klein- und Mittelstädten ist die Liste möglicher Indikatoren entstanden. Sie soll helfen, Vorzüge historischer Klein- und Mittelstädten besser sicht- und messbar zu machen. "Ließe sich der Beitrag des kulturellen Erbes zur urbanen Lebensqualität messen und quantifizieren, wäre es viel einfacher, sein Potenzial auch in Politik und Planung zu aktivieren", erläutert Robert Knippschild.
Potenziale von Baukultur durch gutes Management aktivieren
Das haben auch die Aktivitäten im Projekt REVIVAL! gezeigt, in dessen Rahmen die Indikatoren-Liste entwickelt wurde. Die Feldforschung in den zehn Projektpartnerstädten entlang der sächsisch-polnischen Grenze untermauert die theoretischen Erkenntnisse des Forschungsteams. Nicht nur machten die Fokusgruppengespräche in den Kommunen deutlich, wie reichhaltig das baukulturelle Erbe vor Ort tatsächlich ist. Die Wissenschaftler*innen folgern in ihrer Studie, dass es zu allen Dimensionen von Lebensqualität in den kleinen und mittleren Städten beitragen kann. Deutlich wurde aber auch, dass es von den lokalen Rahmenbedingungen abhängt, ob die Städte das Potenzial ihres kulturellen Erbes auch aktivieren können.
"Die bloße Existenz von historischer Bausubstanz und immateriellem Erbe impliziert nicht, dass sie automatisch auch einen Beitrag zur Lebensqualität in den Städten leisten. Es handelt sich um ein Potenzial, das durch ein integriertes Management aktiviert werden muss", erläutert Robert Knippschild vom IÖR. "Das braucht ein Bewusstsein für diese Dinge, aber auch Engagement, ein gutes Zusammenwirken zwischen Stadtverwaltung und Bürgerschaft und nicht zuletzt finanzielle Spielräume vor Ort." Diese finanziellen Möglichkeiten hat ein Stück weit das Projekt REVIVAL! geboten. Im Zuge des Projektes haben die vier deutschen und sechs polnischen Städte je eine Pilotmaßnahme umsetzen und so ihr baukulturelles Erbe für Bewohner*innen und Gäste sichtbarer machen können.
Die Liste der Indikatoren, die künftig den Beitrag von kulturellem Erbe zur Lebensqualität von Städten messbar machen könnte, ist noch nicht abgeschlossen. Die Indikatoren müssen durch weitere Forschung erprobt und verfeinert werden. Und sie müssen Eingang finden in Studien zu städtischer Lebensqualität und in die viel beachteten Städte-Rankings.